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Aufräumen mit ADHS warum ist das so kompliziert?

Was ist eigentlich ADHS?

„Bei mir sieht es schlimm aus. Ich hab nämlich ADHS, da fällt mir Aufräumen einfach schwer.“
Solche oder ähnliche Sätze höre ich häufig von meinen Kund*innen.

ADHS – das weiß ich – steht für Aufmerksamkeits-Defizit- UND Hyperaktivitätsstörung.
– Also, dachte ich früher: Menschen mit ADHS sind hyperaktiv! Aber das müsste doch eigentlich bedeuten, dass sie besonders viel in Bewegung sind – und damit vielleicht sogar besser im Aufräumen sind, weil sie ja ohnehin ständig „in Aktion“ sind?
Doch je mehr Menschen mit ADHS ich in meinem Beruf kennengelernt habe, desto weniger wollte dieses Bild passen: Die Erwachsenen, die ich treffe, wirken oft gar nicht „zappelig“. Ganz im Gegensatz zu den Kindern, bei denen ADHS meist schon in der Schule auffällt. Aufgrund ihrer Konzentrationsschwierigkeiten und ihre, Bewegungsdrang werden sie oft früh medikamentös eingestellt.
Lange habe ich das Krankheitsbild nicht verstanden.

Lange war mir ADHS ein Rätsel.

Wenn ich mit Kund*innen mit ADHS aufräume, starten sie zunächst begeistert: „Mit Ihnen macht das richtig Spaß, nur allein kriege ich es nicht hin. Da verzettele ich mich total!“
Andere wiederum haben gar keine Schwierigkeiten beim Aufräumen. Dafür aber umso mehr, wenn es darum geht, sich am Computer zu konzentrieren.
Ein anderer Kunde mit ADHS sitzt seelenruhig auf dem Sofa, schaut mir tiefenentspannt zu und erzählt mir Anekdoten. „Wie passt das zur Diagnose Hyperaktivität?“, frage ich mich.

Eins ist klar: Die Diagnose AD(H)S sagt nichts über die unterschiedlichen Verhaltensmuster beim Aufräumen aus. Also habe ich angefangen, mich in Fachliteratur zu stürzen, um das „Rätsel ADHS“ zu lüften.

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Ist Aufräumen mit ADHS schwerer?

Ja – manchmal. Denn ADHS ist oft kein Mangel an Energie, sondern eher eine Frage der Ausrichtung.
Fehlende Aufmerksamkeit kann dazu führen, dass das Aufräumen zu einem wilden Ritt wird – am Ende steht dann mehr Chaos als Ordnung.
Eine Kundin von mir wollte zum Beispiel „nur schnell ihr Tee-Regal sortieren“.
Doch während sie beginnt, fällt ihr eine Keksschachtel in die Hände:
– „Oh, die gehört ja gar nicht hierhin.“
Also bringt sie sie zum Süßigkeitenfach – und erschrickt:
– „Oh Gott, wie sieht es hier denn aus?!“
Sie fängt an, das Fach auszuräumen. Dabei merkt sie, dass viel zu viele Süßigkeiten da sind:
– „Das Nudelfach unten ist viel größer, da kann ich das alles besser einsortieren!“
Und so wandert sie vom Hölzchen aufs Stöckchen – ohne je bei einem Projekt anzukommen. Am Ende ist nichts fertig, aber die ganze Küche liegt in Einzelteilen.

Andere erleben genau das Gegenteil:

Bei ihnen führt ADHS in den sogenannten Hyperfokus – einen Zustand tiefer, fast tunnelartiger Konzentration. Dann wird das Tee-Regal vielleicht perfekt sortiert – ganz ruhig, ganz gründlich, von A bis Z. Doch diese extreme Fokussierung verlangt so viel Energie, dass danach nichts mehr geht. Ein Projekt – winzig klein – ist möglich. Alles andere bleibt liegen.

Und wieder andere erleben eine ganz andere Form der Unruhe: In ihrem Kopf springen Gedanken wie Flummis umher. An ein Festhalten bei einem Gedanken ist kaum zu denken. Sie können zwar aufräumen, ja – aber später finden sie ihre Sachen nicht mehr wieder. So beginnt eine endlose Schleife: Suchen, Räumen, Suchen, Neuordnen. Schränke werden wieder und wieder durchsucht, neu sortiert – und verwüsten dabei erneut. Viele dieser Menschen haben im Laufe der Jahre eine eigene Strategie entwickelt: Körperliche Ruhe als Anker gegen innere Unruhe. So sitzen sie dann da – ganz ruhig, vielleicht auf dem Sofa – und schauen mir beim Arbeiten zu. Nach außen wirken sie gelassen. Doch im Inneren ist ganz schön viel los.

Zum Glück können wir Aufräumer*innen bei ADHS unterstützen
Das Gute ist: Es gibt Strategien. Und die können den Alltag mit ADHS deutlich erleichtern.
Ein häufiges Problem ist das Verlegen von Gegenständen: sie verschwinden, tauchen unerwartet wieder auf oder werden gleich doppelt gekauft. Hier hilft Übersicht. Zum Beispiel durch gut sichtbare, einfache Beschriftungen. Oder durch klar definierte Ablageorte, die man sich logisch herleiten kann: „Wo könnten die Muscheln aus dem letzten Urlaub hin? – Vielleicht ins Regal mit den Reiseführern – als kleine Erinnerung an unterwegs.“
Auch das Verzetteln – also das gleichzeitige Beginnen vieler kleiner Projekte – kann man abfangen, wenn man eine klare Struktur vorgibt. Beim Tee-Regal zum Beispiel lege ich die Keksschachtel erstmal beiseite. Sie bekommt erst dann Aufmerksamkeit, wenn das Tee-Regal wirklich fertig ist.

Doch so unterschiedlich wie ADHS ist, so individuell müssen auch die Aufräum-Methoden sein. Was bei einem Menschen Wunder wirkt, verpufft beim nächsten oft ohne Effekt.
Neulich sagte mir jemand:
– „Ich lese diese blöden Beschriftungen gar nicht.“
Also haben wir gemeinsam überlegt und uns für etwas ganz anderes entschieden:
Glitzernde Sticker, kleine gezeichnete Symbole und plötzlich funktionierte es!
Meine Efahrung sagt eins: Aufräumen mit ADHS braucht Geduld, Kreativität und viel Fingerspitzengefühl.

Wer noch mehr über ADHS und die Hintergründe erfahren möchte, kann sich hier bald den Blogartikel meiner Kollegin Unmani Kuchinski durchlesen. Sie begleitet seit vielen Jahren Menschen mit ADHS – und teilt bald ihre Perspektiven und Erfahrungen hier auf der Seite.

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